Einige Menschen sind der Meinung, dass Noriker sich gut als Gewichtsträger eignen. Also auch schwere Lasten auf ihren Rücken tragen können. Aber was bedeutet das eigentlich? 130 kg Reiter kein Problem? Ein kräftiges Pferd kann einen kräftigen Reiter gut vertragen? Ja und nein! Die Thematik ist weitaus komplexer und was man vorab sagen kann: pauschal ist KEIN Pferd ein Gewichtsträger! Auch bei Norikern kommt es auf verschiedene Details an, ob sie sich für schwere Reiter eignen oder nicht.

Pferde und das Tragen von Lasten

Leo NorikerEigentlich sind Pferde keine Lastentragtiere. Seit je her wird zwar auf den Rücken von Pferden Material und Mensch transportiert, allerdings ist der Körper eines Pferde eigentlich nicht dazu gemacht. Der Bauchraum und Rumpf ist vergleichsweise viel zu schwer für die Wirbelsäule. Nur durch die Spannbogenkonstruktion der Wirbelanordnung verteilt sich das Bauchgewicht auf die Vorder- und Hintergliedmaßen des Pferdes, beispielsweise wenn das Pferd grast. Soll dazu noch ein Gewicht auf diesem Rücken dauerhaft verträglich sein, müssen einige Faktoren beachtet werden. Dabei sind Faustregeln wie „15% des Pferdegewichts“ absoluter Quatsch, denn dabei wird weder Muskulatur, noch Trainingszustand und der Körperbau allgemein betrachtet. Ein dickes Pferd kann einen noch dickeren Reiter tragen? Auch wenn das optisch vielleicht besser aussieht, ist das eine Fehlannahme! Wer reitet, muss darauf achten, dass das Pferd über die erforderliche Muskulatur und den Trainingszustand verfügt, den es braucht um langfristig mit Reitergewicht gesund zu bleiben. Und das egal wie schwer der Reiter ist.

Merkmale Gewichtsträger

Wenn man nun auf der Suche nach einem Pferd ist, das auch gut Reiter mit 90 kg aufwärts abdecken kann, sollte man auf folgende körperliche Merkmale achten:

Röhrbeinknochen

Mona NorikerJe kräftiger der Röhrbeinknochen, desto besser kann sich das Gewicht verteilen. Je kürzer, desto stabiler ist dieser wiederum. Bei Norikern liegt der Idealumfang des Röhrbeins bei 22 – 26 cm. Allein diese Spanne lässt unterschiedliche Aussagen über Traglasten zu. Zum Vergleich: bei Warmblütern liegt der Umfang bei 20 – 22 cm.

Hufform und Hufstellung

Auf die vier Hufe verteilt sich schlussendlich das Gewicht von Pferd, Reiter und Ausrüstung. Logischerweise müssen diese gesund und stark sein. Der Huf sollte in der Größe immer dem Kaliber des Gebäudes entsprechen. Dazu sollte er zur Beinachse passend gestellt sein. Was bedeutet das? Die Zehen sollten nicht zu lang sein und die Hufe nicht zu steil aber auch nicht zu flach gestellt sein. Durch schiefe Hufe können die Achsen der Beine verkippen und einen frühzeitigen Verschleiß der Gelenke hervorrufen. Wenn dann noch viel Gewicht getragen werden muss, wird dieser Effekt verstärkt. Ob Gewichtsträger oder nicht: ein Pferd braucht eine gut Hufbearbeitung!

Hinterhandstellung

Raya NorikerBei Reitpferden sollten die Hinterbeine möglichst gerade im Lot stehen. So werden alle Gelenke gleichmäßig belastet. Noriker haben laut Rassestandard eine gut ausgebaute, genügend lange, breite und gespaltene Kruppe mit besonderem Bedacht auf eine gute Bemuskelung. Pferde die allerdings eine steil abfallende Kruppe haben und dazu noch einen großen Winkel von Hüft- und Kniegelenk, können die reale Last des Reiters nicht so gut aufnehmen. Versammlung fällt schwerer. Sie eignen sich eher als Fahrpferde bzw. brauchen gezieltes Training.

Rückenlinie

Raya Noriker

Raya ist sehr großrahmig und hat einen langen Rücken mit wenig Widerrist. Wir lassen keine Personen über 90 kg auf ihr reiten.

Ein kurzer Rücken kann auf Grund der Hebelwirkung Gewicht besser auf den Körper verteilen. Dies allein reicht aber noch nicht für die Beurteilung. Auch kurze Rücken können eine sehr weiche Oberlinie haben, was auf schwache Bänder schließen lässt. In dem Fall ist das Pferd eher nicht als Gewichtsträger geeignet. Dazu sollte auf den Widerrist geachtet werden. Er ist für gut funktionierende Halsmuskeln und das Aufwölben der Wirbelsäule als Hebel zuständig. Je höher und länger er ist, desto stärker also auch die Hebelwirkung. Pferde mit weniger Widerrist brauchen dementsprechend mehr Bauch- und Halsmuskulatur, um den Bänderkomplex von Nackenband, Nackenplatte und Rückenband zu spannen. Noriker haben meist einen straffen aber elastischen Rücken mit guter Verbindung zur Vor- und Hinterhand. Allerdings sollte hier immer auf den Trainingszustand im Verhältnis zum Gewicht geachtet werden.

Halsansatz und Brustkorb

Noriker FalcoDamit das Pferd ein gutes horizontales Gleichgewicht haben kann, sollte der Hals gut angesetzt sein. Weder zu hoch noch zu tief, da ein zu tief angesetzter Hals die Vorderhandlastigkeit des Pferdes verstärkt und ein zu hoch angesetzter Hals das Aufwölben der Wirbelsäule erschweren kann. Nach dem Rassestandard haben Noriker einen kräftigen Hals, gut aufgesetzt und mittellang, bei nicht zu stark ausgeprägter Unterhalsmuskulatur. Ein breiter Brustkorb schafft eine stabile Rechteckkonstruktion und kann das Reitergewicht besser ausbalancieren. Je schwerer der Reiter desto breiter sollte demnach auch der Brustkorb sein. Hier gibt es bei Norikern viele Unterschiedliche Ausprägungen. Gerade in Bezug auf Geschlecht und Hengstlinien.

Zu schwer für das Pferd?

Pferde schreien nicht und leiden oft still. Nur weil das schon immer so oder so gemacht wurde, heißt es noch lange nicht, dass es den Pferden gut tut bzw. tat und sie keine Schmerzen bzw. Schäden davon getragen haben. Woran kann man also deutlich erkennen, dass der Reiter zu schwer für ein Pferd ist?

  • Das Pferd geht unter leichterem Reiter deutlich besser oder losgelöster
  • Das Pferd streckt den Kopf hoch und drückt den Rücken weg, zeigt dabei Gehwillen aber ist offensichtlich erschöpft
  • Schon nach kurzem Ritt erhöhter Puls, Schweiß und andere Erschöpfungsanzeichen
  • Je nach Charakter versucht das Pferd ggfs. den Reiter loszuwerden oder bleibt einfach stehen

All das sind schon wirklich deutliche Warnhinweise. Nicht zuletzt sollte die Vernunft entscheiden und Reiter sich und das Pferd genau prüfen ob es körperlich passt oder nicht.

Noriker Gewichtsträger

Noriker GewichtsträgerDer Noriker hat auf Grund seiner körperlichen Grundvoraussetzungen durchaus das Potential, auch schwere Reiter tragen zu können. Allerdings kann man das nicht pauschal für jeden Noriker sagen. Der Hauptzuchtzweck der Pferde war ursprünglich das Fahren und nicht das Reiten. Daher sind gerade die großrahmigen und schwereren Typen oft von der Rückenlinie her nicht optimal als Gewichtsträger geeignet. Man muss sich also auch bei den Norikern jedes Pferd ganz individuell anschauen. Neben den Merkmalen in Bezug auf den Körperbau ist es aber unerlässlich den allgemeinen Gesundheits- und Trainingszustand des Pferdes zu betrachten, egal wie schwer der Reiter ist. Hier gibt es noch interessante Informationen über den Körperbau des Pferdes. Grundsätzlich sollte bei einem Gewicht von 120/130 kg des Reiter darüber nachgedacht werden, ob es nicht ein Möglichkeit gibt, das Gewicht zu reduzieren oder ob Fahren nicht eine bessere Alternative wäre, dem Pferd zuliebe.

Was oft vergessen wird ist eben auch der Trainingszustand des Reiters selbst. Ist man selbst untrainiert, hat Fehlhaltungen, ist steif oder hat andere körperliche Probleme, wird man damit auch langfristig dem Pferd schaden, egal wie viel man wiegt. Wer reitet sollte also auch immer sich selbst überprüfen und ggfs. den eigenen Trainingszustand verbessern. Dann steht einer glücklichen Pferd-Mensch Beziehung körperlich nichts im Wege.

Photos von: Andrea Rauh