Deutschland hat gerade sehr kalte Tage hinter sich und in einigen Gegenden fielen die Temperaturen auf -20 Grad. Wenn wir Menschen frieren, geht es den Pferden sicher auch so? Müssen wir also unsere Tiere in Decken einpacken oder in den Stall einsperren? Wann frieren Pferde und brauchen unsere Hilfe?
Wohlfühltemperatur der Pferde
Pferde haben eine Kernkörpertemperatur von 38 Grad Celsius. Fohlen und trächtige Stuten können etwas höhere Temperatur haben. Wie jedes Säugetier muss auch das Pferd diese Kerntemperatur zu jeder Jahreszeit halten können. Im Gegensatz zu uns Menschen sind die Pferde aber viel besser an Kälte und das Leben draußen angepasst. Ein gesundes Pferd produziert permanent Wärme. Um auch im Winter den Wärmehaushalt optimal steuern zu können, sind Pferde mit einem sehr effektiven Thermoregulationsmechanismus ausgestattet. Damit dieser jedoch funktioniert, müssen die Lebensumstände des Pferdes möglichst nah an denen ihrer in der freien Natur lebenden Verwandten sein. Pferde sind optimal auf Kälte eingestellt.
Faktoren für die Thermoregulation
Dabei gibt es folgende Faktoren, die eine optimale Thermoregulation gewährleisten:
- Haut:
Isolationsschicht, da sehr dick. - Fell:
weitere Isolation. Aber nur wenn das Pferd auch natürlichen Gegebenheiten ausgesetzt wird. Ein Pferd, das nur im Stall gehalten wird, entwickelt automatisch weniger Winterfell als ein Offenstall-Pferd. Zum dichten Fell gehört auch eine schützende Talgschicht, die bei übermäßigen Reinigen zerstört wird und natürlichen Schutz im Winter nimmt. Ein geschorenes Pferd hat natürlich keinerlei Möglichkeit mehr, eine normale Thermoregulation zu schaffen. - Arterien:
je nach Temperatur sind diese in der Lage sich zu verengen oder zu erweitern. Bei Verengung wird der Blutfluss verringert und dadurch ein zu großer Wärmeverlust vermieden. Die Erweiterung bewirkt das Gegenteil, wenn es zu heiß ist. Dabei wird das Blut an der Hautoberfläche gekühlt und fließt damit kühlend zurück in den Organismus. - Schweißdrüsen:
im Sommer erfüllen die Schweißdrüsen ganz klar den Effekt der Abkühlung zum Schutz vor Überhitzung. Der Schweiß kühlt zusätzlich zu den erweiterten Arterien das Blut herunter. Sobald die Kerntemperatur erreicht ist, wird die Schweißproduktion gestoppt. In der Natur würde sich ein verschwitztes Pferd einen windigen Platz zum schnellen Trocknen des Fells suchen. - Körperfett:
es ist dreimal so isolierend wie anderes Gewebe. Deshalb kommt es bei vielen Pferden im Herbst zu einer Gewichtszunahme, um einen weiteren Schutz gegen Kälte zu gewährleisten. Je höher der Körperfettanteil, desto weniger prägt sich das Winterfell aus. Je geringer die Hautoberfläche, desto weniger Fläche für Thermoregulation ist vorhanden und desto stärker entwickelt ein Pferd seine Winterbehaarung. Deshalb haben Ponys und Kleinpferde meist mehr Winterfell.
Pferde sind optimal für eine Temperatur von 5-7 Grad ausgelegt und fühlen sich hier am wohlsten. Die Spanne der Komforttemperatur liegt zwischen -15 und +25 Grad. Erst jenseits dieser Temperaturspanne wird der Thermoregulationsmechnismus richtig in Gang gesetzt bzw. benötigt das Pferd mehr Energie, um die Kerntemperatur halten zu können.
Wenn wir also schon lange frieren, macht das einem gesunden und natürlich gehaltenem Pferd gar nichts aus!
Futter und Bewegung
Die Futteraufnahme erzeugt Wärme und hilft dem Pferd im Winter zusätzlich bei der Thermoregulation. Daher sollten Pferde immer ausreichend Zugang zu Raufutter haben. Je kleiner das Pferd desto geringer ist die unterste kritische Kerntemperatur, desto höher ist auch der Futterbedarf im Winter.
Um zu viel unnötigen Energieverlust zu vermeiden, schränken auch Wildpferde im Winter ihre Bewegung stark ein. Auch in unserem Laufstall beobachten wir, dass die Tiere weniger bewegungslustig sind und sich primär mit Fressen und Schlafen beschäftigen. Das ist auch ihr gutes Recht, denn damit halten sie sich gesund. Es ist also völlig in Ordnung, wenn Pferde im Winter träger werden.
Eindecken ja oder nein?
Ein gesundes und natürlich gehaltenes Pferd braucht keine Decken! Allerdings gibt es viele Pferde, die eben nicht natürlich gehalten werden. Tiere die in Boxenhaltung im Winter hauptsächlich drinnen stehen, entwickeln weniger Mechanismen zur Thermoregulation und sollten daher auch nicht plötzlichem Kälteabfall ausgesetzt werden. Decken setzen den gesamten Mechanismus außer Gefecht. Gerade wenn Pferde unter Decken schwitzen, was sehr schnell passieren kann, birgt das mehr Gefahren als dass es hilft. Das Immunsystem wird geschwächt und das Pferd wird schneller krank. Weiterhin schwächt Stress durch Faktoren wie zu wenig Heu, kein Umgang mit Artgenossen und zu wenig Platz das Immunsystem. Man sollte also Pferde so natürlich wie möglich halten, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch geringer, dass sie bei kaltem Wetter krank werden. Nur weil wir eine Jacke anziehen und frieren, heißt es nicht, dass wir unser Pferd auch einpacken müssen. Auch wenn es tolle Decken gibt und es vielleicht schön aussieht, ist es im Grunde Geldverschwendung. Davon ausgenommen sind natürlich kranke oder alte Pferde, bei denen die natürliche Thermoregulation nicht mehr richtig funktioniert.
Auch wenn wir kurzzeitig Temperaturen um die -20 Grad haben, reicht es den Pferden ausreichend Raufutter und eine natürliche Haltung zur Verfügung zu stellen, damit die Thermoregulation funktioniert.
Decke für den Notfall
Wenn ein Pferd krank oder schwach ist, muss das Immunsystem viel leisten. Kommt dann noch die Thermoregulation dazu, kann es sein, dass das zu viel ist. In solchen Fällen kann sich der Einsatz einer Decke zur Unterstützung anbieten. Weiterhin gibt es Pferde mit Allergien, Ekzemneigung oder sonstigen Besonderheiten, die das Eindecken erfordern können. Deshalb macht es durchaus Sinn, eine leichte Outdoordecke im Stall zu haben. Diese sollte nicht zu stark gefüttert, atmungsaktiv und regenabweisend sein. Es genügt in der Regel eine mit Fleece gefütterte Decke, die somit auch eine Abschwitzfunktion hat.
Wer sein Pferd schon früh eindeckt oder sogar schert, nimmt ihm die natürliche Möglichkeit der Thermoregulation und muss dann zwangsläufig den gesamten Winter mit Decken arbeiten. Man kann aber auch Pferde mit Winterfell arbeiten, ohne sie scheren zu müssen. Wenn sie geschwitzt haben, kann man sie trocken reiten und mit einer Abschwitzdecke arbeiten. Das erfordert unter Umständen mehr Zeit, aber die sollte es dem Pferd zuliebe wert sein.
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