In den letzten Jahren wurde viel über einen „neuen“ Gendefekt, der bei Pferden entdeckt wurde, diskutiert: PSSM/1. Mittlerweile scheint es oft so, als würden gerade bei Norikern die Pferde fast nur noch nach diesem Kriterium ausgesucht werden. Dabei leben viele Noriker die diesen Gendefekt tragen völlig symptomfrei. Hingegen sind andere Pferde, die negativ getestet wurden, nicht vor Krankheiten gefeit. Vor allem, wenn man sich  nun die neuesten Erkenntnisse zu PSSM Typ 2 anschaut. Der ähnliche Namen ist verwirrend, denn eigentlich haben diese beiden Defekte nichts miteinander zu tun, außer dass es Myopathien sind- also Muskelerkrankungen. PSSM 2 fasst dabei eine ganze Reihe von Myopathien unter einem Begriff zusammen.

Ein PSSM/1 negativ getestetes Pferd, das dennoch muskulär auffällig ist, kann also durchaus von PSSM/2 betroffen sein.

Da es bisher hauptsächlich englischsprachige Literatur hierzu gibt, habe ich mich entschieden, diesen Artikel zu schreiben, um bei der Aufklärung zu unterstützen. Meine Quellen hierzu sind in erster Linie die Veröffentlichungen von EquiSeq, die auf diesen Gebiet maßgeblich forschen.

PSSM Typ 2- was ist das?

Die Polysaccharidspeicher-Myopathie Typ 2 (PSSM2) ist ein Krankheitszustand, der durch Symptome der Bewegungsunverträglichkeit, das Fehlen der genetischen Variante GYS1-R309H (P1), die mit der Polysaccharidspeicher-Myopathie Typ 1 (PSSM1) assoziiert ist, und durch die in der Muskelbiopsie beobachteten Anomalien definiert wird. Der Krankheitszustand des PSSM2 wurde ursprünglich während der Untersuchung von PSSM1 definiert, als man entdeckte, dass einige Pferde mit Bewegungsunverträglichkeit negativ auf GYS1-R309H (P1) getestet wurden und die vergrößerten, Amylase resistenten Glykogen Granula fehlten, die in Muskelbiopsien von Pferden mit der GYS1-R309H (P1)-Variante beobachtet wurden.

Trotz eines Jahrzehnts der Forschung seit der ersten Beschreibung von PSSM2 gibt es keine Hinweise darauf, dass PSSM2 eine Störung des Kohlenhydratstoffwechsels ist. PSSM2 wurde, ähnlich wie PSSM1, ursprünglich als Störung des Glykogen Stoffwechsels postuliert, weil Muskelbiopsien von Pferden mit PSSM2 eine Verklumpung von Glykogen Granulat normaler Größe zeigten. Eine Studie der arabischen Myofibrillen Myopathie (MFM) zeigte, dass die Verklumpung von Glykogen Granulat in Regionen mit myofibrillärer Desorganisation den falschen Anschein einer Glykogenspeicher Krankheit erweckt. Mehrere Forscherteams (darunter EquiSeq) haben bei Pferden, bei denen PSSM2 diagnostiziert wurde, die Sequenzierung des gesamten Genoms durchgeführt und konnten keine genetischen Varianten in der begrenzten Anzahl von Genen finden, die für den Kohlenhydratstoffwechsel zentral sind. Der Begriff PSSM2 ist daher nur von historischer Bedeutung und wird wahrscheinlich durch genauere Begriffe ersetzt werden, wenn die mit PSSM2 assoziierten genetischen Varianten identifiziert werden.

Quelle: EquiSeq

Dr. Stephanie Valberg hat zur Verdeutlichung die verschiedenen Myopathien und Bezeichnungen zusammengefasst und gegenübergestellt (siehe Grafik). Pferde mit einer Bewegungsunverträglichkeit, die positiv auf GYS1-R309H (P1) getestet werden, werden mit PSSM1 diagnostiziert. Pferde mit Symptomen von Bewegungsunverträglichkeit, die negativ auf GYS1-R309H (P1) getestet und bei der Muskelbiopsie keine Desmin-positiven Aggregate zeigen, werden mit PSSM2 diagnostiziert.

Einige dieser Pferde haben Episoden von erhöhter Serumkreatinkinase (CK), andere nicht. Pferde mit Symptomen einer Bewegungsunverträglichkeit, die bei der Muskelbiopsie Desmin-positive Aggregate zeigen, werden mit einer Myofibrillären Myopathie (MFM) diagnostiziert. Einige dieser Pferde haben Episoden von erhöhter Serumkreatinkinase (CK), andere nicht. Erhöhte CK ist bei Arabern, bei denen MFM diagnostiziert wurde, häufig, während erhöhte CK bei Warmblütern, bei denen MFM diagnostiziert wurde, nicht gesehen wird. Hier wird die Komplexität wohl sehr deutlich.

Die aktuelle Forschung konzentriert sich auf die Identifizierung von genetischen Varianten, die mit PSSM2 und MFM assoziiert sind. Da Pferde mit einem dieser beiden Krankheitszustände eine erhöhte CK aufweisen können oder nicht, ist es unwahrscheinlich, dass eine einzige genetische Variante die Ursache für alle Fälle von PSSM2 oder MFM ist. Während es sinnvoll ist, die Forschung auf PSSM2 oder MFM in einer einzigen Rasse zu konzentrieren, ist es auch unwahrscheinlich, dass eine ursächliche genetische Variante vollständig auf eine einzige moderne Rasse beschränkt ist.

 

 

Symptome PSSM 2

 

Vorab ist zu sagen, dass rein von Symptomen nicht auf eine Diagnose geschlossen werden kann. Denn die Symptome können auf viele verschiedene Krankheiten zutreffen und nur ein Test auf die verschiedenen Myopathien bietet Sicherheit und Aufschluss!

 

 

Symptome, die für PSSM/2 sprechen können:

  • Offensichtliche Schmerzen
  • Sattelzwang
  • Muskelschwund (am deutlichsten in der Hinterhand)
  • Lokalisierter Muskelschwund (kleine Risse, die wie Trittmarken aussehen können)
  • Unspezifische Lamheiten
  • Verkürzter Gang oder ataktischer Gang(Hinterhand),
  • Galopp-Probleme
  • Schwer auf der Vorhand
  • Probleme bei der Aufnahme der korrekten Führung im Rücken

 

 

 

 

Vererbung von PSSM/2

Quelle: EquiSeq

Ist PSSM2 genetisch bedingt? Mit genetisch meinen wir, dass es sich um eine vererbte Erkrankung handelt, die von den Eltern auf die Nachkommen übertragen wird und nicht ausschließlich durch Umwelteinflüsse, wie z.B. Ernährung oder Exposition gegenüber Giftstoffen oder Krankheitserregern, entsteht. Gerade für die Pferdezucht ist das ein wichtiger Aspekt!

Der erste Nachweis, dass PSSM2 genetisch bedingt ist, wurde 2007 erbracht, als Dr. Molly McCue in ihrer Dissertation einen Stammbaum betroffener Quarter Horses vorstellte, die durch Abstammung von einem gemeinsamen Vorfahren verwandt sind. Bei verwandten Pferden wurde PSSM2 durch eine Muskelbiopsie diagnostiziert.

Es ist eine grundlegende Prämisse der Genomik und Molekulargenetik, dass Säugetiere einen gemeinsamen Satz von Genen teilen, die von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, und dass Untersuchungen der Erbanlagen bei einem Säugetier von Wert sind, um ähnliche Bedingungen bei anderen Säugetieren zu verstehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass PSSM2 und MFM bei Pferden den verwandten Krankheitszuständen bei menschlichen Patienten ähneln, von denen bekannt ist, dass sie genetisch bedingt sind.

Die Forscher von EquiSeq haben drei semidominante genetische Varianten identifiziert, die PSSM2 verursachen. Die Ergebnisse sind noch nicht in einer begutachteten wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht. Vor der Veröffentlichung wurden die Varianten als P2, P3 und P4 bezeichnet. Es handelt sich um Missense-Allele von MYOT, FLNC und MYOZ3. Es gibt zwei weitere semidominante Varianten von nicht veröffentlichten Genen, die als P8 und K1 bezeichnet werden. PSSM2 ist auch mit zwei rezessiven Varianten eines nicht näher bezeichneten Gens mit der Bezeichnung P5 und P6 assoziiert. P5 und P6 sind Allele desselben Gens.

PSSM/2 Varianten

P2, P3, P4 (MFM)

Autosomal semidominante Erkrankung, unterschiedlicher Penetranz. Fortschreitende Erkrankung mit Muskelabbau, die durch einen fehlerhaften Aufbau von Strukturproteinen in den Muskelzellen verursacht wird. Pferde, die Doppelträger der Varianten (P2/P2, P3/P3 oder P4/P4) sind, sind stärker von Symptomen betroffen und zeigen diese mit einem früheren Alter.

Pferde, die Einzelträger einer Variante (n/P2, n/P3 oder n/P4) sind, haben eine Veranlagung zur Entwicklung von PSSM2. Nicht jedes n/P2-, n/P3- oder n/P4-Pferd entwickelt Symptome. Jene n/P2-, n/P3- oder n/P4-Pferde, die Symptome entwickeln, haben ein späteres Eintrittsalter (7-10 Jahre) und mildere Symptome. Die Symptome sind die gleichen wie bei P2/P2-, P3/P3- oder P4/P4-Pferden. Die Entwicklung der Symptome scheint damit zusammenzuhängen, ob mehr als eine genetische Variante bei diesem Pferd vorhanden ist. Ein Pferd, das n/P2 n/P3 oder n/P2 n/P4 ist, entwickelt mit größerer Wahrscheinlichkeit Symptome als ein Pferd, das n/P2, aber n/n für P3 und P4 ist.

Diese Varianten sind unheilbar und auch nicht wirklich behandelbar. Die Symptome können durch ein Diät- und Bewegungsprogramm in den Griff bekommen werden und Muskelabbau verlangsamt werden.

Pferde reagieren extrem empfindlich auf negative Stickstoffbilanz, die zum Beispiel durch Entzündungen, starken Stress, Impfungen, Verletzungen, ein Virus und manchmal sogar durch chemische Entwurmung hervorgerufen wird.
Vorbeugend kann man bei solchen Zuständen für 1 bis 6 Wochen die doppelte Proteinmenge füttern.

P5, P6

Man geht derzeit davon aus,  dass die genetischen Varianten von P5 und P6 bei Pferden, die homozygot für P5 (P5/P5), homozygot für P6 (P6/P6) oder in zusammengesetzten Heterozygoten (P5/P6) sind, mit anderen Varianten interagieren.

Eine Ernährungstherapie (eine Ernährung, die mit vollständigem Eiweiß ergänzt wird) und ein spezifisches Übungsprogramm können helfen, die Symptome zu bewältigen. Dies ist immer noch ein aktives Untersuchungsfeld.

P8, K1

Pferde mit der genetischen Variante P8 (n/P8 oder P8/P8) benötigen eine höhere Vitamin-E-Supplementierung, um normale Vitamin-E-Werte zu erreichen.

K1 ist auch nicht heil- oder behandelbar, wie die oben genannten Varianten.

PSSM/1 vs. PSSM/2

Die Diagnose mit PSSM/1 bedeutet, dass ein Pferd positiv auf GYS1-R309H (P1) getestet wurde und Anomalien auf Muskelbiopsie zeigt bzw. zeigen würde. Vor allem vergrößertes, Amylase-resistentes Glykogen-Granulat.

Wenn ein Pferd Symptome zeigt und negativ für GYS1-R309H (P1) getestet wurde und Anomalien bei einer Muskelbiopsie zeigt, wird es mit PSSM/2 oder MFM diagnostiziert. Das bedeutet, dass die Krankheiten unabhängig von einander sind. Leider werden bei der Diagnose von PSSM/1 und PSSM/2 keine genetischen Varianten außer GYS1-R309H berücksichtigt. Dies hat den Eindruck geschaffen, dass das Erbe von GYS1-R309H das Erbe von genetischer Varianten verhindert, die mit PSSM2 verbunden sind. Das ist aber nicht richtig. 

Ein Träger von PSSM/1 kann also auch weitere Myopathie-Gendefekte tragen, die unter PSSM/2 subsumiert werden. Das könnte auch die Erklärung dafür sein, warum manche Pferde mit PSSM/1 trotz optimaler Haltung symptomatisch sind und andere nicht. Ein Pferd, das negativ auf PSSM/1 getestet wurde kann allerdings positiv für PSSM/2 sein.

 

Fazit

Ein Pferd hat über 20 000 Gene und wie beim Menschen ist die Genetik längst nicht vollständig erforscht. Sicherlich gibt es nicht nur für Muskelerkrankungen genetische Dispositionen, sondern auch für andere Krankheiten wie Hufrehe usw. An diesem Artikel sieht man wohl die Komplexität der Thematik. Es ist längst nicht damit getan, ein Pferd nach dem PSSM/1 Status auszusuchen.

Da sich hier einiges in der Forschung tut, werden wir Euch weiter auf dem Laufenden halten. Falls Ihr auf PSSM/2 testen wollt, so gibt es nun auch die Möglichkeit, abseits einer Muskelbiopsie über den Panel-Test bei Equiseq: Mypathie Panel Test. Die CAG hat eine exklusive Lizenz für Europa erworben, um das EquiSeq Equine Myopathie Panel (P2, P3, P4, Px) anbieten zu können. Den Test gibt es für 200 Euro und weitere Infos hier.