Wir reiten unsere Pferde vorzugsweise mit gebisslosen Zäumungen. Immer wieder sind Menschen darüber erstaunt oder positiv überrascht, dass das überhaupt geht. „Gerade bei Kaltblütern“. Warum insbesondere die Noriker sehr gut damit zu reiten sind, welche Zäumungen es gibt und wie die  Wirkungsweisen sich unterscheiden und warum wir dennoch keine Gegner von Gebissen sind, erklären wir in diesem Artikel.

Rechtliches und Rahmenbedingungen

Wenn es um das Reiten mit gebisslosen Zäumungen geht, wird man häufig zunächst mit diversen Vorurteilen konfrontiert: „da hat man ja keine Einwirkung, wenn was passiert“, „da zahlt ja keine Versicherung“ oder „das ist ja verboten“. Deshalb möchten wir zuerst auf diese Punkte eingehen.

Gesetzliche Grundlage für das Reiten bzw. den Umgang mit Tieren im öffentlichen Raum ist alleinig die Straßenverkehrsordnung §28:

1) Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können, sind von der Straße fernzuhalten. Sie sind dort nur zugelassen, wenn sie von geeigneten Personen begleitet sind, die ausreichend auf sie einwirken können. Es ist verboten, Tiere von Kraftfahrzeugen aus zu führen. Von Fahrrädern aus dürfen nur Hunde geführt werden

Im Gesetz ist also die Art der Zäumung nicht geregelt! Holger Suel, (VFD) der sich schon lange mit der Thematik befasst, hat diesbezüglich eingehend recherchiert und auch beim Bundesverkehrsministerium nachgehakt: „die Formulierung des § 28 StVO sei bewusst so gewählt worden, und eine Bewertung der Eignung von Mensch und Tier unterliege immer einer Einzelfallprüfung.“

Wer also mit einem Pferd im Straßenverkehr unterwegs ist und einen Unfall verursacht, muss in erster Linie also von Eignung und Ausbildungsstand dazu in der Lage sein, sowie das Pferd selbst auch. Hier muss man sich also die relevante Rechtsprechung betrachten. Auch hier hat der VFD geforscht. Mit dem Ergebnis, dass es kein Urteil gibt, das sich ursächlich auf die Verwendung gebissloser Zäume bezieht. Falls es welche gibt, sind dies Einzelfallentscheidungen. Wer also beispielsweise als blutiger Anfänger mit einem nervösen Jungpferd ins Gelände geht, dem hilft im Schadensfall auch keine Kandare oder andere Gebisszäumung, um nicht als fahrlässig verurteilt zu werden. Es ist also eine Frage der individuellen Eignung und des Ausbildungsstandes!

 

Dann gibt es noch die Frage der Versicherung und was im Falle eines Schadens abgedeckt wird. Auch hier wird häufig behauptet, dass Versicherungen für das gebisslose Reiten nicht aufkommen. Vorab: wir haben seit Jahren Versicherungen für die Pferde, die keine Auflagen bzgl. der Zäumung machen. Generell muss man aber verstehen, dass die Tierhalterhaftpflicht lediglich die Tiergefahr versichert, weitere Risiken sind durch eine Privathaftpflicht abzusichern. Aber Achtung: für Gewerbetreibende gelte u.U andere Bedingungen

Man kann kein Pferd durch die Ausrüstung kontrollieren, nur durch Ausbildung. Prof. Dr. Klaus Zeeb, Verhaltensforscher und seinerzeit der Vorsitzende der Arbeitsgruppe für „Die Leitlinie zum Tierschutz im Pferdesport“ von 1992.)

Einwirkung von Zäumungen

Wenn man sich also die Rahmenbedingungen für das Reiten und Führen im öffentlichen Raum betrachtet, so ist das Thema Einwirkung auf das Tier essentiell. In Anbetracht, der Tatsache, dass sogar ein Shetlandpony dem Menschen gewichts- und kräftemäßig überlegen ist und viele Menschen schon bei großen Hunden Probleme mit dem Führen haben (auch hier gilt übrigens das gleiche Gesetz. Dass die Erziehung des Hundes die Grundlage ist, einen Hund zu führen, darüber sollte Einigkeit herrschen), ist es leider nachvollziehbar, dass ausreichend Einwirkung mit Ausüben von Schmerzen gleichgesetzt wird. Oftmals ist aber genau das Gegenteil der Fall. Denn ein flüchtendes Pferd in Panik wird unter Schmerz ggfs. noch mehr in Rage kommen.

Ein Gebiss wirkt auf die empfindlichen Laden im Pferdemaul und erzeugt bei schon mäßiger Last Schmerzen. Man geht davon aus, dass sich das Pferd diesen Schmerzen entziehen möchte und dann eben tut, was der Mensch möchte, was aber ein Trugschluss ist. Es gibt sogar einige Studien, die belegen, dass die Verwendung eines Gebisses gesundheitsschädlich für Pferde ist. Wir sind der Meinung, dass es sehr wohl einige Nachteile gibt, aber es immer auf die Hand ankommt. Für uns gibt es nur meist keinen Grund, warum mit Gebiss wenn die Pferde ohne viel schöner, angenehmer laufen und feiner zu reiten sind.

Gebisslos heißt aber nicht, dass man mit diesen Zäumungen einem Pferd nicht auch Schmerzen zufügen könnte. Die Einwirkung ist anders aber nicht per se sanfter. Sie wirken auf Nasenrücken und Genick. Es liegt an jedem Reiter, so sanft wie möglich zu reiten und so wenig schmerzliche Einwirkung wie möglich auszuüben. Erfahrungsgemäß dankt ein Pferd das mit mehr Kooperation und Leistungsbereitschaft

Arten von gebisslosen Zäumungen

Folgende gebisslose Zäumungen haben wir im Einsatz. Es gibt natürlich noch mehr, aber wir möchten Euch von unserer eigenen Erfahrung insbesondere mit Norikern berichten.

LG Zaum (Glücksrad etc.)

Der LG-Zaum war einer der ersten gebisslosen Zäume, die wir vor ca. 10 Jahren getestet haben und begeistert waren. Er wurde von Dressurreiterin Monika Lehmenkühler entwickelt, die eine Alternative zum Gebiss brauchte. Auf der Website von LG-Zaum findet Ihr ausführliche Infos zur Wirkungsweise des Zaums und zum Gebisslos reiten im Allgemeinen. 

Der Zaum ist reitweisenunabhängig und kann in klassische sowie western Kopfstücke eingesetzt werden. Je nach Verschnallung der Zügel kann mit oder ohne Hebelwirkung genutzt werden. Biegungen, Stellungen usw. sind genauso möglich, wie andere Lektionen. Vorteil ist, dass man keine besondere Umstellung hat, wenn man vorher noch nie gebisslos geritten ist. Gerade Pferde, die auf ein Gebiss stumpf reagieren, haben den LG Zaum sehr schnell und gut angenommen und auch Reiter gewöhnen sich sehr schnell daran. Man kann mit diesem Zaum genauso reiten, wie man es mit Trense gewohnt ist. Unsere ehemaliges Kutschpferd ist damit sofort wesentlich feiner zu reiten gewesen. 

Dennoch muss man für beide Seiten natürlich eine Gewöhnungszeit einberechnen. Es gibt den LG-Zaum mit Nasenstück und Kinnriemen bzw. Kinnkette auch in der Größe KB, was bisher allen Norikern bei uns gut gepasst hat. 

 

Sidepull

 Das Sidepull ist eine der sanftesten gebisslosen Zäumungen und ähnlich aufgebaut wie ein Halfter mit Zügeln. Oftmals ist das Nasestück verstärkt. Je fester, desto schärfer die Einwirkung. Es ist ideal für sehr sensible Pferde, die auch schon einen gewissen Ausbildungsstand haben. 

Bei einem Pferd, dass eher „büfflig“ auf Paraden reagiert, ist es nicht wirklich geeignet, da man dann weniger Einwirkung hat. Weiterhin können Hilfen eher schwammig ankommen. Ist das Pferd sehr fein und gut ausgebildet, kann man damit aber genauso gut und fein reiten, wie mit anderen Zäumungen. 

Es kommt also hier auch wieder auf Pferd und Reiter an. Zum Anreiten von Jungpferde verwenden wir es nicht. 

Für Kaltblüter ein Sidepull zu finden, ist nicht so einfach, da die meisten für Westernpferderassen genutzt werden. Mit etwas Geduld und Recherche kann man aber auch hier fündig werden. 

Natural Hackamore (Knotenhalfter)

Diese Art der Zäumung verwenden wir am häufigsten und liebsten. Es sei aber gleich vorab gesagt: diese erfordert zwingend vorherige Ausbildung mit dem Knotenhalfter und Seil am Boden für Reiter und Pferd sowie das Bewusstsein, dass diese Art der Zäumung sehr scharf sein kann. Die Einwirkung ist sehr gut und erlaubt sehr viel Kontrolle über das Pferd (m.E. sogar mehr als mit Gebissen) aber wie beim Gebiss muss auch hier die Reiterhand geschult sein. Dann hat man ein feines Hilfsmittel, welches das Pferd nur wenig stört sowie Kooperation und Partnerschaft fördert. Für das Reiten mit der Natural Hackamore hat das Pferd bereits gelernt, einem Gefühl zu folgen und der Reiter hat einen unabhängigen Sitz entwickelt, ohne das Pferd dabei im Maul zu stören.

Die Natural Hackamore besteht aus einem speziell geknoteten Knotenhalfter. Die Zügel bestehen meist aus einem Seil und werden unter dem Pferdekopf befestigt. Es wird mit Impulssignalen gearbeitet und nicht mit dauerhafter Anlehnung. 

Gerade Noriker und auch ehemalige „Problempferde“ lassen sich damit sehr fein, und leistungswillig reiten, was allerdings eben eine vorausgegangene Ausbildung zwingend erfordert. Dabei ist es nicht relevant, ob das Pferd vorher anders ausgebildet wurde. Von „einfach einmal ausprobieren“ raten wir daher ab um weder das Pferd noch sich selbst zu frustrieren, oder zu schaden. Wenn Euch das Reiten mit dem Knoti interessiert, könnt Ihr entweder unseren Kurs „gebisslos Reiten“ oder unser Webinar „Reiten mit Natural Hackamore“ besuchen. Termine und Buchungsmöglichkeiten findet Ihr unter Kurse oder schreibt uns einfach an. 

Bosal (klassische Hackamore)

Das Bosal ist in seiner Machart und Reitweise sehr spezifisch. Feines Reiten bis in die Versammlung ist hiermit möglich. Aber wie eine Reitkandare ist auch das Bosal nicht unbedingt für Anfänger geeignet.

Das Bosal stammt aus der altkalifornischen Westerneiterei und wird dort in erster Linie zur Ausbildung aber auch zum sehr feinen Reiten höherer Lektionen eingesetzt. Es besteht aus Rohhaut und hat auch einen Kern aus echter Rohhaut. Wir haben allerdings Bosals von Creapferd, da es für Noriker Nasen schwer ist ein passendes Bosal zu finden. Creapferd löst sich vom klassisch verwendeten Material Rohleder, was der Qualität jedoch keinen Abbruch tut und passt das Bosal individuell für jede Pferdenase an.

Die „Lenkung“ funktioniert ähnlich wie beim Natural Hackamore durch das Neckreining. Das Pferd wird also weniger durch den Zug am Maul als mehr durch das Anlegen des Zügels gelenkt. Es weicht also dem Druck. Um keine Kommunikationsprobleme zwischen Pferd und Reiter zu haben, sollte man sich hier vorher eingehend mit der Thematik befassen und die Ausbildung am Boden darauf abstimmen. Gerade beim Bosal sind feine Impulse als Kommunikation sehr wichtig. Versucht man es über stetigen Druck oder sogar Gezerre, wird das Pferd in Verweigerung oder Oppositionsverhalten gehen.

Das Bosal ist eine sehr schöne Zäumung, die feine und direkte Hilfe zulässt, die Hinterhand des Pferdes optimal aktiviert und auch eine Versammlung fördert.

In diesem Video erfahrt Ihr mehr über das Bosal und Zubehör, das auch wir verwenden.

Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten ein Pferd zu reiten. Egal ob Zaumzeug oder Sattel. Im Vordergrund sollte immer Fairness, Partnerschaft und Kommunikation stehen. Die Wahl der Zäumung des Pferdes führt in der Reiterwelt oft zu Streit und Polarisierung. Für uns steht fest, dass kein Gebiss und keine Zäumung ein Pferd in Panik kontrollieren kann. Dass man grundsätzlich mit einem Gebiss mehr Einwirkung hat oder gebisslos Reiten verboten ist, stimmt einfach nicht. 

Für viele Pferde ist es offenbar wesentlich angenehmer, gebisslos geritten zu werden und sie sind dadurch konzentrierter, kooperativer und fassen schneller Vertrauen. So ist zumindest unsere Erfahrung. Wir lehnen eine Trense mit Gebiss nicht ab. Wir lehnen aber die Vorstellung ab, das Pferd als Fluchttier durch Schmerz kontrollieren zu können. Grundlage für jegliche Art der Reiterei sollte nicht die Ausrüstung, sondern die Ausbildung und Partnerschaft sein.