Boxenhaltung oder Offenstall? Wo bekommt mein Pferd die meiste Bewegung? Das Haltungskonzept des Boxenstalls ist teilweise in der Reiterwelt verpönt. Das liegt in erster Linie daran, dass leider einige Boxenställe immer noch die Pferde wirklich hauptsächlich in Boxen halten und wenn überhaupt nur im Sommer einen Auslauf auf einer Weide anbieten. Tierschutzrechtlich ist dies verboten, denn jedes Pferd hat täglich über mehrstündige, freie Bewegungsmöglichkeit zu verfügen. Dazu gehört nicht Longieren, Reiten oder eine Führanlage.

Bewegungsbedarf von Pferden

Das Pferd ist ein Lauftier, dessen arttypisches Verhalten darin besteht, sich die meiste Zeit des Tages im langsamen Schritt in der Gruppe und zur Nahrungsaufnahme fortzubewegen. Das mehrstündige langsame Vorwärtsgehen im Schritt eine wesentliche Vorausssetzung dafür, dass ein Pferd auf Dauer physisch und psychisch gesund bleibt. Die dabei zurückgelegte Strecke ist dabei von den äußeren Umständen abhängig. Ist das Nahrungsangebot knapp, die Herde in Gefahr oder die Wasserstelle versiegt, so zieht das Pferd in der Natur weiter. Dabei können durchaus 40 km/Tag zurückgelegt werden, was aber nicht die Regel ist.

Die von Wildequiden täglich zurückgelegten Strecken richten sich in erster Linie nach den ökologischen Gegebenheiten des von ihnen bewohnten Terrains. Die Häufigkeit der vorhandenen Wasserquellen spielt vor allem in Trockengebieten eine maßgebliche Rolle, da fast alle Einhufer mindestens jeden zweiten Tag saufen müssen.

Die Größe des täglichen Aktionsraumes
halbwilder New Forest-Ponys liegt zwischen 7 und 10 Quadratkilometern,
Camarquepferde sollen täglich ca. 6,
Haflinger in Gruppenhaltung etwa 3 Kilometer zurücklegen.

Pferdehaltung / Herausgeber Dr. Heinrich Pirkelmann [3]

Grundsätzlich unterscheidet man bei der Beobachtung von Pferden im Freiland zwischen der reinen Lokomotion, und der langsamen Bewegung während des Grasens. Ein weidendes Pferd verbringt täglich etwas 16 Stunden mit Grasen und der damit verbundenen Schrittbewegung und legt damit 6-11 km Strecke zurück, und Notzeiten oder bei Wassermangel auch mehr. Die reine Bewegung, wie zum Beispiel beim Spiel, ist abhängig von der Zusammensetzung der Gruppe, dem Alter und auch der Witterung und beträgt 3-15 Prozent des Tages.

Miriam Rösler (Dai Shodan)

Unter diesem Aspekt wird klar, warum Pferde, die die meiste Zeit des Tages in einer Box stehen müssen und deren Bewegungsbedarf lediglich durch Reiten oder Longieren ausgeglichen werden soll, langfristig psychische und physische Probleme bekommen. Vor allem wenn dabei die Fresspausen viel zu lange sind. Von Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Magengeschwüren sind die Folgen vielseitig und massiv. Geht es aber jedem Boxenpferd so? Und ist die Haltung in einem Offenstall automatisch besser?

Haltungskonzepte und deren Besonderheiten

Pferde in einer Offenstall-Haltung leben permanent in der Gruppe zusammen. Sie haben meist permanenten Zugang zu Rauhfutter und können sich im vorgegebenen Areal frei bewegen. Ein Offenstall muss allerdings ein sehr gutes Konzept haben. Die Rangordnung von Pferden ist sehr klar und insbesondere in menschlicher Obhut können die verschiedenen Charaktere sich nicht selbst finden und müssen sich arrangieren. Der Kampf um Ressourcen kann bei Pferden wirklich heftig sein. Dazu gehören Futter, Wasser aber auch bevorzugte Partner und Ruheplätze. Damit Pferde im Offenstall keine physischen und psychischen Probleme bekommen, ist es wichtig dass die Gruppengröße zu den angebotenen Ressourcen passt, die Zusammenstellung der Charaktere sowie die ganzjährige Gewährleistung von Witterungsschutz und trockenen Flächen. Es ist nicht damit getan, eine Hütte auf eine Wiese zu stellen.

Aktivställe und oder Paddocktrails werden immer beliebter. Mit Recht, denn hier versucht man die „Schwächen“ der Boxen- und Offenstallhaltung auszugleichen. Die Pferde leben in einer Gruppe, können sich auf dem Areal frei bewegen, haben durch verschiedene Futterstellen, Ruheplätze und intelligent angelegte Wege einen guten Anreiz, sich zu bewegen. Aber auch hier muss der Bau und das Konzept gut durchdacht und die Gruppengröße den Begebenheiten angepasst sein. Um solch ein Konzept zu verwirklichen braucht man auch die örtlichen Begebenheiten.

Wir halten unsere Pferde derzeit in Boxenhaltung aber mit täglichem Auslauf auf der Koppel ganzjährig. Bei extremen Witterungsbedingungen gibt es auch schon mal einen Tag auf dem Paddock in der Gruppe. Die Nacht verbringen die Pferde in ihren Boxen. Dabei können wir auch die Art des Einstreus für die Liegefläche individuell anpassen (Stroh, Späne usw. je nachdem welche Bedürfnisse welches Pferd hat.)

Vergleich Bewegung des Pferdes verschiedener Haltungsformen

Eine Absolventin des LTZ Zanger hat eine sehr interessante Facharbeit geschrieben. in dieser wollte sie der Frage auf den Grund gehen, wie weit sich Pferde in verschiedenen Haltungsformen täglich fortbewegen. Hierzu hat sie einen Versuch gemacht und Pferde mit Schrittzählern versehen. Das Ergebnis war überraschend, denn das Pferd im Offenstall mit 3ha permanenten Koppelzugang hat sich weniger bewegt als auch ich gedacht hätte.

Hier gibt es ein Video mit den Ergebnissen der Facharbeit:

Laufstrecke Pferd in Boxenhaltung mit Koppel

Dieser Versuch ist doch sehr interessant und so kam die Idee, selbst einen Test mit den eigenen Pferden zu machen. Dafür haben wir allerdings keinen Schrittzähler, sondern einen GPS-Tracker verwendent, der sehr genau die zurückgelegte Strecke, Geschwindigkeiten und Bewegungsprofile anzeigt. Wir haben mit vier verschiedenen Pferden aus verschiedenen Gruppen den Test gemacht. Allerdings ist dies dennoch als Momentaufnahme zu sehen. Wir werden das in regelmäßigen Abständen wiederholen, um auch einen Vergleich zu den Jahreszeiten zu haben. 

Aktuell und zur Zeit des Tests stehen die Pferde noch auf den Winterkoppeln. Diese sind schon relativ abgegrast. Dazu haben die Pferde Wasser und Heu mit auf der Koppel. Die Gruppen bestehen aus 5 – 8 Pferden. Auf Grund der Jahreszeit und des hohen Fruktangehalts kommen die Pferde derzeit nach einem Raufutter-Frühstück im Stall raus und bleiben bis zum Abend draußen. Im Sommer wird sich diese Zeit wieder verschieben, z.B. auf Grund von Hitze. 

Die Testpferde

  1. Epona, Noriker Stute, 4 Jahre, gemischte Gruppe mit 8 Pferden
  2. Logan, Konik Hengst, 8 Jahre, da im Deckeinsatz aktuell Einzelkoppel
  3. Freya, Konik Stute, 4 Jahre, gemischte Gruppe mit 8 Pferden
  4. Leo Vulkan, Noriker Wallach, 13 Jahre, gemischte Gruppe mit 8 Pferden

Epona hat im Schnitt während der Zeit auf der Koppel ca 5-6 km pro Tag zurück gelegt.

Im Spiel oder Rennen hat sie teilweise Geschwindigkeiten von ca 30 km/h erreicht, die meiste Zeit aber im langsamen Schritt und grasend verbracht. (Die Sattelitenbilder der App sind von Google Maps und nicht aktuell)

Logan hat ebenfalls im Schnitt ca. 5 -6 km zurückgelegt.

Dadurch, dass er derzeit einzeln auf der Koppel steht, hat er weniger Bewegungsanreize durch Herdenmitglieder. Allerdings sieht man in seinem Bewegungsprofil mehr hengstypische kurze schnelle Episoden von Bewegung und dann wieder langsames Grasen. 

Freya hat im Schnitt 3-5 km auf der Koppel zurück gelegt.

Sie hat fast 90% der Zeit langsam und grasend im Schritt verbracht. Schnelle oder spielerische Episoden kamen bei ihr kaum vor. 

Leo hat am meisten Strecke zurück gelegt, im Vergleich mit den anderen Testpferden. Bei ihm waren es 5-8 km pro Tag. 

Er ist Herdenchef und kommt seinem Auftrag, die Herde zu überwachen und zu schützen nach. Außerdem ist er noch relativ verspielt und lebt das auf der Koppel aus. 

Sein Anteil an Spiel und schnellerem Laufen war höher als bei den Stuten. 

Nach unserem kleinen Feldversuch kann man also sagen, dass sich die Pferde im Schnitt 6 km auf der Koppel bewegen. Das arttypische Bedürfnis der langsamen Fortbewegung in der Gruppe leben alle aus, egal welches Alter, Größe oder Rasse. 

Die Rangposition in der Herde und persönlicher Charakter ist offenbar ein Faktor, der definitiv mit eine Rolle spielt. Genauso ob ein Pferd in einer Herde steht oder nicht.

Betrachtet man die Zahlen aus der Literatur, die oben angegeben wurden (6-11 km/Tag bei Pferden in der freien Wildbahn) so sind unsere Pferde trotz Boxenhaltung dennoch in guter Bewegung.

 

Fazit

Boxenhaltung bedeutet nicht automatisch, dass ein Pferd zu wenig Bewegung bekommt. Wie bei allen anderen Haltungskonzepten kommt es auf die Umsetzung an. Pferde, die in einem Offenstall ohne große Bewegungsanreize stehen, da sich Futter, Wasser usw. alles in unmittelbarer Nähe befindet, werden sich nicht automatisch mehr bewegen. Sehr große Gruppen in Offen- und Aktivställen können zu vermehrten Ressourcenkämpfen und Stress führen, verbunden mit Flukuationen in der Herde. 

Kurz gesagt, es kommt immer darauf an, wie man es macht und es gibt immer vor und Nachteile, bei jeder Haltungsform. Sobald sich Pferde in menschlicher Obhut befinden und ihr Lebensraum begrenzt ist, obliegt es der Verantwortung der Menschen, individuell und möglichst optimale Bedingungen zu schaffen. Dabei sind Pauschalisierungen fehl am Platz. Weiterhin gilt es, auf viele Faktoren bezüglich der Grundbedürfnisse von Pferden zu achten, nicht nur die Laufleistung auch das Futterangebot, die Herdenzusammenstellung, Ruhe- und Liegeflächen sowie die Pflege an sich. Unser Fazit ist: Boxenhaltung muss nicht per se schlecht für ein Pferd sein, wenn die Grundbedürfnisse erfüllt werden. Genauso wie ein Offen- oder Aktivstall nicht automatisch das Beste für ein Pferd ist, wenn dieser kein gutes Konzept hat. Wir werden in Zukunft öfter die Pferde mit Trackern versehen, um langfristig einen Vergleich auch zu Jahreszeiten zu haben. Darüber werden wir Euch natürlich auf dem Laufenden halten.